Content language:
Tsai Ming-liang feierte sein Debüt Anfang der 1990er-Jahre, als die zweite Welle des New-Wave-Kinos Taiwan erreichte. Mit seinen minimalistischen, strengen und sinnlichen Werken erreichte er um die Jahrtausendwende die schon fast orientierungslose und machtlose Generation. Mit seiner Ausdrucksweise hat er sich auch in der zeitgenössischen Kunst einen Namen gemacht und diverse Installationen und VR-Experiences in Galerien auf der ganzen Welt präsentiert.
Giona A. Nazzaro, künstlerischer Leiter des Locarno Film Festival, meint dazu: «Das Kino von Tsai Ming-liang ist eine Mischung aus fesselnden Geschichten und Ausdrucksformen. Seit seinen Anfängen weiss er, die verschiedenen Identitäten seines kreativen Werdegangs in Szene zu setzen. Diese reflektiert er auf Taiwans Geschichte. Dabei fliesst vieles aus seinem Leben als Chinese ein, der zwischen Malaysia und Taipei aufwuchs. Erotik, Beobachtung, formale Recherche und Erzählung sind Teil einer umwerfend schönen und erstaunenden Filmografie. In dieser hat das mühselige Leben der postmodernen Metropole neue Akzente gefunden. Tsai Ming-liang hat ein Werk kreiert, das das Kino und die Welt mit Klarheit und Ergriffenheit hinterfragt.»
Tsai Ming-liang wird den Preis am Sonntagabend, 6. August, auf der Piazza Grande entgegennehmen. Im Rahmen der Preisverleihung wird am selben Tag im GranRex eine seiner neuesten Filmproduktionen gezeigt:
Rizi (Days), Tsai Ming-liang – Taiwan, Frankreich – 2020
Er wird ausserdem am Donnerstag, 3. August, im @Spazio Cinema an einer Podiumsdiskussion über die Erkundung sozialer Zusammenhänge im Kino und die Zukunft der audiovisuellen Medien teilnehmen. Diese wird von Kevin B. Lee, Locarno Film Festival Professor for the Future of Cinema and the Audiovisual Arts at USI Università della Svizzera italiana supported by Swisscom, moderiert.
Um auch seine Tätigkeit als Künstler zu ehren, wird in der Kunstgalerie Rivellino eine Ausstellung mit einer Zusammenstellung seiner Werke ausgerichtet, die Tsai Ming-liang am 5. August selbst eröffnen wird. Während des Festivals können eine Auswahl seiner experimentellen Werke wie Transformation (2012), Ni de lian (Your Face, 2018) und die Aufführung von The Tree (2021) betrachtet werden.
Der Pardo alla carriera wird von Ascona-Locarno Tourism, dem Destination Partner des Locarno Film Festival, gesponsert. Zu den bisherigen Preisträger/innen gehören Francesco Rosi, Claude Goretta, Bruno Ganz, Claudia Cardinale, Johnnie To, Harry Belafonte, Peter-Christian Fueter, Sergio Castellitto, Víctor Erice, Marlen Khutsiev, Bulle Ogier, Mario Adorf, Jane Birkin, Fredi M. Murer, Dante Spinotti und im Jahr 2022 Costa-Gavras.
Tsai Ming-lian wurde 1957 in Malaysia geboren und zeigte 1992 an der Berlinale seinen ersten Langfilm Qing shao nian nuo zha (Rebels of the Neon God, 1992). Mit seinem zweiten Werk Ai qing wan sui (Vive l’amour, 1994) gewann er an den Filmfestspielen von Venedig den Goldenen Löwen. An der Berlinale 1997 erhielt er für He liu (The River, 1996) den Spezialpreis der Jury. Alle seine bisherigen Langfilme wurden an den weltweit wichtigsten Filmfestivals präsentiert und fünf davon gewannen den FIPRESCI -Preis. Visage (Face, 2009) wurde 2009 als erster Film überhaupt in die Kollektion Le Louvre s’offre aux cinéastesdes Louvre in Paris aufgenommen. Tsai hat in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit der Kunstwelt auf sich gezogen. Er nahm an diversen Ausstellungen und Events teil und stellte dabei Ideen wie «Hand-sculpted Cinema» und «The removal of industrial processes from art making» vor. Im Jahr 2012 begann er mit der Serie «Slow Walk», die neun Filme beinhaltet und auf Festivals und in Galerien auf der ganzen Welt gezeigt wurde. In Taiwan setzt er sich aktiv für die Konzepte «Art Museum as Cinema» und «The Author’s Intended Way of Viewing» ein, mit denen er neue Möglichkeiten findet, wie Filme geschaut werden. Damit kämpft er gegen eine immer kommerziellere Filmbranche.