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Vom 2. bis 12. August wird Locarno für elf Tage zur Hauptstadt des Kinos. Das 76. Locarno Film Festival ist gewagt und offen für Neues. Mit dem diesjährigen Programm bietet sich die Möglichkeit, über die Geschichte und Zukunft des Kinos sowie anderer Kunst- und Kommunikationsformen zu diskutieren.
Im Rahmen der heutigen Pressekonferenz wurde bekanntgegeben, dass der britische Schauspieler Riz Ahmed am Eröffnungsabend vom 2. August den Excellence Award Davide Campari entgegennehmen wird. Begleitet wird die Preisverleihung von seinem neuesten Kurzfilm Dammi (2023) von Yann Mounir Demange.
Für Giona A. Nazzaro, künstlerischer Leiter des Locarno Film Festival, ist das Talent von Ahmed im heutigen Kino sehr aussergewöhnlich. «Ahmeds Wandelbarkeit ermöglicht es ihm, sich zwischen Blockbustern und dem Autorenkino zu bewegen. Ob auf den Theaterbühnen, in Fernsehproduktionen, als Rapper oder als Produzent – Ahmed fühlt sich in allen Rollen wohl. Er ist mehrfach ausgezeichnet, darunter mit einem Academy Award, und verkörpert ein Kino, das offener und endlich bereit ist, den neuen Stimmen zuzuhören. Riz Ahmed ist das Gesicht der Zukunft, die endlich in erreichbarer Nähe ist.»
Neben Riz Ahmed wurden bereits Harmony Korine (Pardo d’onore Manor), Pietro Scalia (Vision Award Ticinomoda), Luc Jacquet (Locarno Kids Award la Mobiliare), Marianne Slot (Raimondo Rezzonico Award), Tsai Ming-liang (Pardo alla carriera Ascona-Locarno Tourism) und Renzo Rossellini (Lifetime Achievement Award) als Preisträger/innen von Locarno76 angekündigt.
Auch verschiedene Gäste haben bereits ihren Besuch bestätigt. So werden neben Lambert Wilson, Jury-Präsident des Concorso internazionale, und Cate Blanchett, die am 12. August auf der Piazza Grande zusammen mit der Regisseurin Noora Niasari und der Schauspielerin Zar Amir Ebrahimi den Film Shayda präsentiert, unter anderen auch Deva Cassel, Lav Diaz, Quentin Dupieux, Noah Galvin, Molly Gordon, Ted Hope, Sandra Hüller, Radu Jude, David Krumholtz, Edoardo Leo, Nick Lieberman, Ken Loach, Joe Lovano, Bertrand Mandico, Ben Platt, Barbet Schroeder e István Szabó in Locarno zu Gast sein.
Piazza Grande
17 Filme, davon neun Weltpremieren, werden auf der Piazza Grande gezeigt, dem grössten Open-Air-Kino Europas, das Platz für 8 000 Zuschauer/innen bietet.
Die Piazza Grande ist in diesem Jahr dem Populärkino gewidmet – aber nicht nur.
«Es werden Klassiker wie La Paloma (1974) von Daniel Schmid, der restauriert und wieder zum Leben erweckt wurde, oder La città delle donne (, 1980) von Federico Fellini wiederentdeckt. Weiter werden auch abstrakte und metaphysische Thriller wie Falling Stars von Richard Karpala und Gabriel Bienczycki gezeigt – ein Film, der sich bereits auf bestem Weg befindet, um Kult zu werden. Die Piazza wird auch Sandra Hüller (Anatomie d'une chute) empfangen, Ken Loach (The Old Oak), Deva Cassel und e Yile Vianello (La bella estate), Edoardo Leo (Non sono quello che sono - The Tragedy of Othello di W. Shakespeare), Frédéric Mermoud (La voie royale), den Kultfilm Theater Camp, der am Sundance vorgestellt wurde, und zum Schluss noch Cate Blanchett als Produzentin des Films Shayda von Noora Niasari mit Zar Amir Ebrahimi in der Hauptrolle.» Giona A. Nazzaro (im Folgenden: G.A.N.)
Concorso internazionale
Der internationale Wettbewerb von Locarno, der auch dieses Jahr neue Wege in der Filmkunst beschreitet, umfasst 17 Filme, darunter 16 als Weltpremieren und eine als internationale Premiere, die alle um den Pardo d'oro konkurrieren.
«Von Quentin Dupieux und seinem kantigen Surrealismus bis zu Lav Diaz. Vom Sarkasmus von Radu Jude bis zu Sylvain Georges. Von den verrückten Erfindungen von Rainer Sarnert bis zu den psychedelischen und abstrakten Filmen von Eduardo Williams. Von der bittersüssen Komödie von Bob Byington bis zur italienischen Offenbarung von Simone Bozzelli. Vom Debüt von Leonor Teles bis zu den Träumen von Ena Sendijarević. Von Ali Ahmadzadehs bedrohlichem und düsterem Teheran bis zu Sofia Exarchous Touristenorten. Nicht zu vergessen Dani Rosenbergs Lob der Fahnenflucht und Annarita Zambranos aufflammende Anarchie. Des Weiteren sind aufstrebende Frauen wie Laura Ferrés und die Ukrainerin Maryna Vroda, die es endlich in die Welt der Langfilme geschafft hat, vertreten. Die Schweiz darf natürlich nicht fehlen. Diese wird durch Basil Da Cunha vertreten, der zu den originellsten Stimmen gehört und zu jenen, die für den Fortschritt des Schweizer Kinos verantwortlich sind.» G. A. N.
Concorso Cineasti del presente
Die Auswahl, die der Entdeckung des Kinos von morgen gewidmet ist, umfasst 15 Filme: Erst- und Zweitwerke, allesamt Weltpremieren.
«Darunter befinden sich acht Werke, bei denen jeweils eine Frau Regie führte. Und einmal mehr sind verschiedene Facetten des Kinos vertreten: Wilde erotische Komödien (On the Go), surreale und metaphysische Reflexionen über Leben und Tod (Dreaming and Dying), verstörende Reflexionen über das Potenzial von Begehren und Macht (Touched), Thriller (Xi du [West Border], makabre Liebesfilme (La Morsure), träumerisch-ironische Geschichten über das Ende der Welt (Camping du Lac), Reflexionen über die Möglichkeiten des Kinos (Und dass man ohne Täuschung zu leben vermag) und Einblicke in die Realität des indischen Subkontinents (Rimdogittanga [Rapture] und Whispers of Fire & Water). Nicht zu vergessen Family Portrait, der Debütfilm der sehr talentierten Lucy Kerr. Bereits unter diesen Talenten lässt sich das Kino von morgen ausmachen.» G. A. N.
Pardi di domani
Der Kurzfilmwettbewerb für internationale Nachwuchstalente wird flankiert vom Schweizer Kurzfilmwettbewerb, dessen Hauptpreise von Swiss Life gesponsert werden, und dem Autorenfilmwettbewerb Concorso Corti d'autore mit insgesamt 40 Filmen, die alle als Weltpremieren gezeigt werden. Das Programm wird von einer Sammlung von Kurzfilmen ergänzt, die im Rahmen der Spring Academy unter der Leitung des Regisseurs Radu Jude entstanden sind.
«Mit Pardi di domani denkt das Kino in die Zukunft. Durch die Ausdruckskraft der Kurzfilme können die Stimmen des Kinos von morgen festgefahrenen Formen und Genres zerschlagen, unerwartete Möglichkeiten erkunden und die Sphären des Politischen neu definieren: Der Körper als wahrer Kampfplatz, der Gedanke als Widerstand, die soziale Gewalt als bekennte Angeschuldigte. Und weiter: die Visionen von Bertrand Mandico, die Freiheit von Syllas Tzoumerkas, die wilde Poesie von Catarina Vasconcelos; das sind nur einige der grossen Namen, die in der Auswahl des Corti d’autore zu finden sind.» Eddie Bertozzi, Leiter des Auswahlkomitees von Pardi di domani.
Fuori concorso
Zwölf Filme, von denen elf Weltpremieren, von bekannten Regisseur/innen erkunden neue Möglichkeiten des filmischen Erzählens.
«Die Sektion Fuori Concorso ist den grossen Meistern gewidmet: Unser geliebter Paul Vecchiali ist mit seinem letzten Film noch einmal auf der Piazza vertreten. Präsentiert wird der Film von seinem Freund und bevorzugten Schauspieler Pascal Cervo. Barbet Schroeder, Franco Maresco und Denis Coté werden ihre neuesten Werke vorstellen. Und die Liebhabenden der Genrefilme können die Freuden des philippinischen Actionfilms Toppakk (Triggered), die jugendlichen Vampire von Napoli und die Geheimnisse des Geistes von What Remains entdecken.» G. A. N.
Histoire(s) du cinéma
Einzigartige Perspektiven auf die Geschichte des Kinos mit 18 Filmen, darunter prestigeträchtige Restaurierungen, wertvolle Wiederentdeckungen und Werke, die das kollektive Bewusstsein geprägt haben.
Retrospektive
Die diesjährige Retrospektive «Espectáculo a diario – Las distintas temporadas del cine popular mexicano » («Jeden Tag ein Spektakel – Das mexikanische Populärkino im Laufe der Jahrzehnte») wird eine intensive Erkundung der mexikanischen Filmproduktion der 40er- bis Ende 60er-Jahre. Diese Jahrzehnte haben dank einzigartiger Kreativität, aussergewöhnlichen Filmstars und ausgezeichneten Autor/innen ganze Generationen geprägt. Die Retrospektive wird in diesem Jahr von Olaf Möller kuratiert, in Zusammenarbeit mit Roberto Turigliatto. Im Rahmen der Retrospektive wird auch eine Sammlung von Essays auf Spanisch und Englisch präsentiert. Diese wird von Jorge Javier Negrete Camacho und Alonso Díaz de la Vega, herausgegeben von Les éditions de l’Œil, kuratiert.
Locarno Kids: Screenings
Eine filmische Entdeckungsreise mit acht Titeln für Kinder und Jugendliche, darunter Perlen der Vergangenheit, Vorpremieren und Ausflüge in die Welt der Animation.
«Das Angebot für unser jüngstes Publikum wird mit Weltpremieren wie dem Dokumentarfilm über Inklusion We Have a Dream von Pascale Plisson und dem Abenteuer in den Wurmlöchern des finnischen Eises Räkä ja Roiskis (Snot & Splash) von Teemu Nikki abgerundet. Mit der italienischen Synchronisation von Mary e lo spirito di mezzanotte feiern wir den italienischen Animationsfilmregisseur Enzo D’Alò, der vor 70 Jahren geboren wurde. Weiter geht es mit den besten Animationsfilmen des Jahres und dem Oscar-Preisträger Luc Jacquet, der uns auf seine neuste Reise zu seinen Pinguinen in die Antarktis mitnimmt und den Locarno Kids Award la Mobiliare erhält. Die Kinder interessieren sich immer mehr für die Zukunft des Films. Also bieten wir ihnen wieder Workshops an, in denen sie lernen, zuschauen und selbst ausprobieren können.» Daniela Persico, Mitglied des Auswahlkomitees.
Open Doors Screenings
Zum zweiten Jahr in Folge liegt der Fokus von Open Doors auf dem Kino aus Lateinamerika und der Karibik. Dabei werden die interessantesten unabhängigen Produktionen dieser Regionen präsentiert, mit 18 Lang-, Mittellang- und Kurzfilmen, darunter eine Weltpremiere.
Semaine de la critique
Sieben Dokumentarfilme als Weltpremieren oder internationale Premieren, ausgewählt vom Schweizerischen Verband der Filmjournalistinnen und Filmjournalisten.
Panorama Suisse
Eine repräsentative Selektion des aktuellen Schweizer Filmschaffens, in einer Auswahl von Vertretern/innen von SWISS FILMS, der Solothurner Filmtage und der Schweizer Filmakademie.
Ticketshop
Die Tickets und die Festival Passes für das 76. Locarno Film Festival sind bereits im Ticketshop erhältlich. Die offizielle App des Festivals wird ebenfalls wieder zur Verfügung stehen. Mit dieser können Sie das Programm einsehen, Ihre Tickets für die Vorführungen verwalten, News abrufen und für den Prix du Public UBS abstimmen. Um den Bedürfnissen des Publikums gerecht zu werden, werden die Karten in den Tagen vor dem Festival bis wenige Minuten vor der Vorführung zum Kauf angeboten. Die Sitzplätze werden in den Sälen nicht zugewiesen. Ab diesem Jahr gilt jede Eintrittskarte zum Festival (Einzelkarte, Day Pass, Festival Pass oder Akkreditierung) gleichzeitig auch als Fahrkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel im Tessin. Die Gültigkeitsdauer entspricht der der Eintrittskarte. Das Angebot wird durch die wertvolle Partnerschaft des Festivals mit der SBB ermöglicht.
Excellence Award Davide Campari
Seit 2021 wird der Excellence Award von Campari gesponsert. Zu den bisherigen Preisträger/innen gehören Susan Sarandon, John Malkovich, Willem Dafoe, Michel Piccoli, Anjelica Huston, Carmen Maura, Isabelle Huppert, Gael García Bernal, Charlotte Rampling, Giancarlo Giannini, Edward Norton, Bill Pullman, Mathieu Kassovitz, Ethan Hawke, SONG Kang-Ho, Laetitia Casta und Aaron Taylor-Johnson.
Der Preis ist nach Davide Campari benannt, einem kreativen Pionier, der die Kraft des Kinos verstand, Grenzen zu sprengen.
Der Sohn von pakistanischen Einwanderern trat zu Beginn seiner Karriere in Indie-Filmen wie The Road to Guantanamo (Mat Whitecross, Michael Winterbottom, 2006), Four Lions (Christopher Morris, 2010) und The Reluctant Fundamentalist (Mira Nair, 2012) in Erscheinung. Später spielte er in mit grossen Budgets ausgestatteten Produktionen wie Nightcrawler (Dan Gilroy, 2014), Rogue One: A Star Wars Story (Gareth Edwards, 2016) und Venom (Ruben Fleischer, 2018) mit. Im Laufe seiner Karriere als Schauspieler konnte Ahmed bereits grosse Erfolge feiern. Für seine Darstellung in Sound of Metal (Darius Marder, 2019) wurde er für den Oscar als Bester Schauspieler nominiert. Für seinen Kurzfilm The Long Goodbye (2022), den er mit dem Regisseur Aneil Karia schrieb und von seinem gleichnamigen Album inspiriert wurde, gewann er dann den Academy Award. Denn neben seiner Tätigkeit als Schauspieler ist Ahmed auch ein talentierter und erfolgreicher Musiker. Ausserdem setzt sich Ahmed als sozialer und politischer Aktivist gegen Intoleranz und Rassismus ein. Der Schauspieler bringt einen weiteren Film nach Locarno, der sinnbildlich für diesen Weg steht: Mughal Mowgli (Mogul Mowgli, 2020) von Bassam Tariq. Riz Ahmed hat dabei als Produzent und Ko-Drehbuchauto mitgewirkt. Der Film wird am Donnerstag, 3. August, im GranRex gezeigt.